Am Mittwochmorgen um 08:00 Uhr wurde die Säge an die Winter-Linde (Baum Nr. 1609 in der Bestandsliste, Höhe 15,2 m, Stammumfang 246 cm) bzw. an den Spitz-Ahorn (Baum Nr. 1606 in der Bestandsliste, Höhe 14,6 m Stammumfang 313 cm) in der Straße „Am Lindenanger“ unweit des Alten Friedhofs angesetzt. Fäulnis, Schädlinge und Pilze hatten laut Gutachten des Laufer Ingenieur und Sachverständigenbüros für Vegetationstechnik, Bäume und Bodenanalytik, Roland Dengler, den beiden Bäumen so zugesetzt, dass die höhere Naturschutzbehörde in Bayreuth die unverzügliche Fällung aufgrund der massiven Verkehrsgefährdung genehmigte.
Artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung
Für die Fällung war eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung der höheren Naturschutzbehörde der Regierung Oberfranken zur zeitnahen Fällung notwendig, da es sich um Bäume handelte, die nach §44 (1) Nr. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes geschützt waren.
Die beiden Bäume wurden von Diplom Biologin Ute Gellenthien bei einem gemeinsamen Ortstermin mit Reinhilde Steinmetz, im Stadtplanungsamt zuständig für Natur und Umwelt und Andreas Geck, dem Sachgebietsleiter Garten- und Landschaftsbau im Amt für öffentliches Grün begutachtet und mittels eines Hubsteigers sämtliche Höhlen und Spalten untersucht. Neben einer starken Taschenlampe und Spiegel kam auch ein Endoskop zum Einsatz. Außerdem wurde der Mulm im Randbereich der Höhlungen auf Kotreste untersucht:
Weder in den beiden Kronenresten noch in den Höhlungen wurden frische Nistplätze gefunden. Bis auf eine schimpfende Blaumeise in einem Nachbarbaum wurden auch keine Vögel beobachtet. Die endoskopische Untersuchung war erfolglos, eine kleine, wegfliegende Fledermaus wurde beobachtet. Damit ging zumindest ein Fledermaus-Quartier durch die erforderliche Fällung verloren. Bei der visuellen Mulm-Untersuchung konnten keine Hinweise auf eine Besiedlung durch den „Eremiten“, eine geschützte Käferart, gefunden werden.
Das nachgewiesene Fledermaus-Quartier und alle potentiell durch Vögel und Fledermäuse nutzbaren Höhlungen wurden entsprechend den fachlichen Vorgaben so mit Wurzelsperrfolien verschlossen, dass evtl. noch im Inneren befindliche Fledermäuse herauskommen, aber kein Einflug mehr möglich war. Damit wurde gleichzeitig ein Nestbau von Vögeln bis zur Fällung vermieden.
Für die Fällung wurde ein spezieller Fällkran der Forchheimer Firma Kajos eingesetzt, um möglichst schonend zu arbeiten: Die stückweise Fällung der beiden Bäume unter Begleitung der Biologin und die vorsichtige Ablage der einzelnen Ast- und Stammstücke ermöglichte die erneute Inspektion der Höhlungen auf Kleintiere. Gellenthien konnte sichtlich erleichtert Entwarnung geben.
Ast- und Stammstücke mit potentiellen Quartieren werden nun auf einer städtischen Ausgleichsfläche im Stadtteil Reuth gelagert, wo sie für die neue Besiedlung verschiedener Tierarten zur Verfügung stehen.
Für die von der Fällung „Am Lindenanger“ betroffenen Fledermäuse hängt das Amt für öffentliches Grün an drei geeigneten Bäumen im Umfeld Ausweichquartiere auf.
Unverzügliche Fällung: Fäule deutlich fortgeschritten
An den beiden, das Erscheinungsbild des Straßenbildes „Am Lindenanger“ prägenden Großbäumen wurden seit Jahren baumpflegerische Maßnahmen zum Erhalt und gleichzeitig zur Wahrung bzw. Wiederherstellung der Verkehrssicherungspflicht durchgeführt und die Bäume parallel regelmäßig durch einen Baumsachverständigen kontrolliert. Die Kronen waren schon eingekürzt worden.
Dies war jedoch nicht die Ursache der jetzt angeordneten Fällung: Vor allem der Klimawandel und die mit ihm einhergehende Ausbreitung von Schädlingen, die Hitze, Wassermangel und Pilze schwächten die beiden Bäume. Eine Analyse des Gutachters mittels diverser Messgeräte und eine genaue Inaugenscheinnahme auf ihre Vitalität und statischen Zustand ergab die Dringlichkeit zur unverzüglichen Fällung innerhalb von zwei Wochen. Für den Spitz-Ahorn (Acer platanoides) erläuterte das Gutachten, dass die Fäule innerhalb der Stämmlinge deutlich fortgeschritten war. „Die tragfähige Restwandung hat sich auf wenige Zentimeter vermindert, sodass der Verbleib des Baumes nicht zu verantworten ist, zumal die Krone nicht mehr weiter eingekürzt werden kann.“
In der Winter-Linde (Tilia cordata) schritt ebenfalls die schon früher festgestellte Fäule im Stammfuß weiter fort und nahm dem Baum jegliche Zukunftschancen. Der dortige Holzabbau habe nochmals deutlich zugenommen, heißt es im Gutachten: „Der Baum steht an seiner Basis auf über der Hälfte seines Stammumfanges auf keiner bzw. sehr geringer Restwandung.“ Auch hier wurde eine Einkürzung auf einen „Hochstubben“, die die Lebensdauer um nur wenige Jahre verlängert hätte, verworfen.
„Das Amt für öffentliches Grün wird, soweit das die Platzverhältnisse am Lindenanger zulassen, Ersatzpflanzungen vornehmen“, erläutert Baumexperte Andreas Geck, „wir erkundigen uns zurzeit nach innovativen Lösungen für Pflanzungen in Straßenräumen, die wenig Platz für Stadtbäume bieten. Hier ist der Markt im Moment stark in Bewegung!“