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Die "neue Normalität" stellt auch die Jugend vor schwierige Herausforderungen

Eigentlich hätte am 09. Mai der Kreisjugendring in der Forchheimer Innenstadt wieder den Tag der Jugend veranstaltet. Vereine und Organisationen hätten sich und ihre vielfältige Jugendarbeit vorstellen und mit spannenden Angeboten und Aktionen interessierte Jugendliche zum Mitmachen anregen können.

Leider fangen in Corona-Zeiten viele Sätze mit dem Wort „eigentlich“ an. Inzwischen haben wir einige Wochen hinter uns, in denen der gewohnte Alltag aus dem Tritt gekommen ist und öffentlich gerne schon von einer „neuen Normalität“ gesprochen wird. Je nach individueller Lebensgestaltung und persönlicher Konstitution mag jeder damit unterschiedlich zurechtkommen. Ich denke aber, dass diese Zeit gerade für Jugendliche eine ganz besondere Herausforderung darstellt und alles andere als normal ist.

Meine Jugend war davon geprägt, unabhängig von meinen Eltern endlich mein eigenes Ding zu machen und meine Zeit immer mehr mit Freunden aus meiner Clique zu verbringen. Ich wollte meine eigenen Entscheidungen treffen und meinen Tagesablauf jenseits der Schule selbst gestalten. Jeder Tag versprach unendlich viele Möglichkeiten, selbst dann, wenn in Wahrheit gar nicht so viel passierte. Ich war optimistisch, abenteuerlustig und in meiner Phantasie malte ich mir gemeinsam mit meinen Freunden die Zukunft in bunten Farben aus. Die Gemeinschaft mit Gleichaltrigen und das gemeinsame Abhängen an Orten, an denen die Eltern uns lieber nicht sehen sollten, schweißten uns zusammen. Als Jugendliche erlebten wir alles zum ersten Mal und jede bestandene Herausforderung stärkte in uns das Gefühl von Unabhängigkeit und Autonomie. Ich glaube, so intensiv wie in seiner Jugend fühlt sich das Leben später nur noch selten an.

Die Corona-Pandemie hat das Leben gerade von Jugendlichen binnen weniger Tage völlig auf den Kopf gestellt. Die Ausgangsbeschränkungen sorgen dafür, dass Jugendliche zwar virtuell, aber eben nicht real ihre für diese Lebensphase so wichtige Gemeinschaft mit Gleichaltrigen erleben können. Die Hausgemeinschaft mit Eltern und Geschwistern wird schnell zu eng. Hinzu kommt die Sorge, wie es schulisch weitergehen wird. Müssen Prüfungen geschrieben und bestanden werden? Was wird mit den Versetzungen in die nächste Jahrgangsstufe sein? Werde ich meine Ausbildung oder mein Studium beginnen können? Was wird sein, wenn mein Ausbildungsbetrieb die Corona-Pandemie wirtschaftlich nicht überstehen wird? Neben all diesen Fragen gibt es auch viele Erlebnisse, die sich nicht nachholen lassen, an die man als Erwachsener aber gerne ein Leben lang zurückdenkt – die Abschlussfeier, der erste Urlaub mit Freunden, der erste Kuss in einer lauen Sommernacht auf dem Annafest.

Keiner von uns weiß, wie lange wir diese „neue Normalität“ werden leben müssen. Wir Erwachsenen haben den Vorteil, auf längere Zeiträume zurückblicken zu können und zu wissen, dass man vieles mit etwas Geduld aussitzen kann. Diese Erfahrung fehlt Jugendlichen natürlich noch. Ich denke also, wir sollten viel Verständnis für sie haben und berücksichtigen, wie stark gerade auch Jugendliche in ihrer Entwicklung und Lebensplanung von den aktuellen Ereignissen und ihren Folgen betroffen sind.

Ihr
Dr. Uwe Kirschstein
Oberbürgermeister