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Strukturwandel in Forchheim

Liebe Forchheimerinnen und Forchheimer,

Menschen ziehen dorthin, wo sie Arbeit finden. Gleichzeitig arbeiten seit Jahrzehnten immer weniger Menschen in Deutschland in der Land- und Forstwirtschaft oder im produzierenden Gewerbe, dafür aber immer mehr in anderen Wirtschaftsbereichen sowie als Dienstleister. Im Jahr 2017 lag der Anteil der Erwerbstätigen in diesem sog. tertiären Sektor schon bei 74,5% (Quelle: Statistisches Bundesamt). Diese beiden Tatsachen können niemanden überraschen. Seit Jahrzehnten lässt sich weltweit der Trend beobachten, dass immer mehr Menschen in große Städte und Ballungsräume ziehen, weil eben dort und nicht etwa im ländlichen Raum im selben Zeitraum überproportional viele Jobs entstanden sind.

Oberbürgermeister Dr. Uwe Kirschstein

Oberbürgermeister Dr. Uwe Kirschstein

Politik hätte also ausreichend Zeit gehabt, um auf diesen tiefgreifenden Strukturwandel reagieren zu können. Sie hätte geeignete Maßnahmen beschließen und ausreichende Finanzmittel bereitstellen müssen, damit dort Wohnraum entsteht, wo Menschen arbeiten, oder dank einer gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur Erwerbstätige schnell, zuverlässig und möglichst emissionsfrei von ihrem Wohn- zum Arbeitsort kommen. Beides wurde versäumt. Die explodierenden Miet- und Immobilienkaufpreise sowie der tägliche Verkehrswahnsinn in unseren Ballungsräumen sind also die Folge einer jahrzehntelang am Strukturwandel konsequent vorbeigeplanten Wohnungsbau- und Verkehrspolitik. Die Finanzkrise 2008 und die damit verbundene historische Niedrigzinsphase, die das Investieren und Spekulieren in und mit Wohnraum in Deutschland für Konzerne und Investmentfonds erst interessant gemacht hat, haben die Probleme nur verschärft. Wenn dann auch noch eine Lohnpolitik dazukommt, die dazu führt, dass im Jahr 2017 rund 20% der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten in Deutschland zum Niedriglohn unter 2139 Euro brutto im Monat arbeiten (Quelle: Deutscher Bundestag), dann haben schon heute viele Menschen in Deutschland ein massives und teils existenzbedrohendes Problem. Nicht auszudenken, was wir erst erleben werden, wenn die heutigen Niedriglöhner das Renteneintrittsalter erreicht haben.

Das insgesamt zu niedrige Angebot an Wohnraum in wachsenden Regionen, wozu natürlich auch die Stadt Forchheim gehört, und die im Vergleich zur allgemeinen Lohnentwicklung überproportional gestiegenen Mieten führen derzeit zu einem sog. Lock-In-Effekt auf dem Wohnungsmarkt. Die Menschen ziehen nicht mehr um und bleiben in ihren günstigen Wohnungen, so lange es geht. Gleichzeitig haben viele private Vermieter Angst, aufgrund geltenden Mietrechts unliebsam gewordenen Mietern nur noch mit erheblichem juristischem und zeitlichem Aufwand kündigen zu können. In einer solchen Situation haben es auf dem Wohnungsmarkt Familien mit Kleinkindern besonders schwer. Selbst wenn das Haushaltseinkommen der Familie überdurchschnittlich ausfällt, fürchten viele Vermieter Kinderlärm sowie Beschädigungen und Verschmutzungen an ihrem Mieteigentum durch Kinder und Jugendliche. Zu mir als Oberbürgermeister kommen viele Menschen mit ihren Sorgen und Problemen zum Thema Wohnraum. Meine Einflussmöglichkeiten, vor allem die kurzfristigen, sind naturgemäß begrenzt. Ich versuche alles, um in Forchheim insgesamt den Wohnungsbau anzuschieben. Die kommunalen Wohnungsgesellschaften in Forchheim sind sensibilisiert und darum bemüht, Wohnraum gerade an Familien mit Kindern zu vermieten. Für den Bereich des privaten Wohnungsmarkts kann ich allerdings nur an die Vermieter appellieren, verstärkt Familien mit Kindern sowie Schwangeren eine Chance zu geben.

Ihr
Dr. Uwe Kirschstein
Oberbürgermeister